Geheime Codes im Arbeitszeugnis entschlüsseln: So lesen Sie zwischen den Zeilen

Das Arbeitszeugnis ist weit mehr als nur ein Dokument, das am Ende eines Arbeitsverhältnisses ausgestellt wird. Es ist ein Spiegelbild der beruflichen Leistungen und des Verhaltens während der Beschäftigung und spielt eine entscheidende Rolle bei zukünftigen Bewerbungen. Ein gutes Arbeitszeugnis kann Ihre Karriere vorantreiben, während ein schlecht formuliertes Zeugnis Türen schließen kann.

Doch nicht immer ist die Botschaft eines Arbeitszeugnisses klar und offensichtlich. Häufig verstecken sich hinter wohlklingenden Phrasen subtile Hinweise, die weniger positiv sind, als sie scheinen. In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie diese geheimen Codes entschlüsseln und so zwischen den Zeilen lesen können, dass Sie die tatsächliche Bewertung erkennen.


Der Aufbau eines Arbeitszeugnisses

Ein Arbeitszeugnis folgt in der Regel einem standardisierten Aufbau, der aus mehreren wesentlichen Elementen besteht:

  • Zunächst beginnt das Zeugnis mit einer Einleitung, in der der Arbeitgeber den Zeitraum der Beschäftigung sowie die ausgeübte Position des Mitarbeiters festhält. Dieser Abschnitt mag unbedeutend erscheinen, doch bereits hier kann die Wortwahl erste Hinweise auf die Qualität des Arbeitsverhältnisses geben. Beispielsweise könnte ein langer Zeitraum ohne Erwähnung von Beförderungen oder besonderen Projekten darauf hindeuten, dass der Mitarbeiter keine herausragende Leistung erbracht hat.
  • Der zweite Teil des Zeugnisses ist die Tätigkeitsbeschreibung, die die Hauptaufgaben des Mitarbeiters detailliert auflistet. Dieser Abschnitt ist besonders wichtig, da er zukünftigen Arbeitgebern einen Einblick in die beruflichen Kompetenzen und Erfahrungen des Mitarbeiters gibt. Auch hier sollte auf die Details geachtet werden: Werden bestimmte Aufgaben nur vage beschrieben oder fehlen wichtige Verantwortungsbereiche? Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass der Mitarbeiter in diesen Bereichen nicht überzeugend war.
  • Es folgt die Leistungsbewertung, die der kritischste Teil eines Arbeitszeugnisses ist. Hier werden die Arbeitsergebnisse und die Qualität der geleisteten Arbeit bewertet. Arbeitgeber sind verpflichtet, diese Bewertungen in einer wohlwollenden Weise zu formulieren, was oft zu verschlüsselten Botschaften führt. Eine vermeintlich positive Formulierung kann bei genauerem Hinsehen eine mittelmäßige oder gar schlechte Bewertung sein.
  • Abschließend endet das Zeugnis mit der Schlussformel, in der der Arbeitgeber dem Mitarbeiter für seine Arbeit dankt und ihm alles Gute für die Zukunft wünscht. Auch hier kann die Art und Weise, wie die Dankes- und Abschiedsworte formuliert sind, Hinweise darauf geben, wie zufrieden der Arbeitgeber tatsächlich mit dem Mitarbeiter war.

Fröhliche Frau erhält lächelnd ein Dokument, vermutlich ein Arbeitszeugnis, in einer modernen Büroumgebung

Die Geheime Sprache der Arbeitszeugnisse

Arbeitgeber stehen bei der Formulierung eines Arbeitszeugnisses vor einer Herausforderung: Sie müssen einerseits der gesetzlichen Verpflichtung nachkommen, ein wohlwollendes Zeugnis auszustellen, und andererseits ihre ehrliche Einschätzung der Leistung des Mitarbeiters vermitteln. Diese duale Anforderung führt oft zur Verwendung einer speziellen „Zeugnissprache“, die es ermöglicht, negative Bewertungen subtil zu kommunizieren, ohne offen kritisieren zu müssen.

Diese Zeugnissprache hat sich über die Jahre hinweg entwickelt und ist inzwischen so etabliert, dass erfahrene Personaler und Führungskräfte sie intuitiv verstehen. Allerdings sind die Formulierungen oft für den Laien schwer zu entschlüsseln. Ein Beispiel hierfür ist die Phrase „hat sich stets bemüht“, die auf den ersten Blick positiv klingt, tatsächlich aber einen erheblichen Mangel an Leistungsfähigkeit oder Engagement andeuten kann. Im Gegensatz dazu bedeutet „zu unserer vollsten Zufriedenheit“ tatsächlich, dass der Mitarbeiter hervorragende Arbeit geleistet hat.

Es gibt viele solcher Phrasen und Formulierungen, die in einem Arbeitszeugnis verwendet werden, um eine versteckte Botschaft zu übermitteln. Manche Formulierungen sind so subtil, dass sie leicht übersehen werden können, was dazu führt, dass viele Arbeitnehmer die wahre Botschaft ihres Zeugnisses nicht erkennen. Ein tiefgehendes Verständnis dieser Codes ist daher unerlässlich, um die wahre Bedeutung des Zeugnisses zu entschlüsseln.


Die Codes in Arbeitszeugnissen:

Formulierung Positive Bedeutung Negative Bedeutung
Hat sich stets bemüht Bemühte sich, die Aufgaben zu erfüllen Hat die Aufgaben nicht zufriedenstellend erledigt
War stets pünktlich Kam immer rechtzeitig zur Arbeit Hat nur das Mindestmaß an Engagement gezeigt
Erledigte seine Aufgaben mit Fleiß War engagiert in der Aufgabenerfüllung Fehlende Eigeninitiative und Kreativität
Zu unserer Zufriedenheit Durchschnittliche Leistung Erfüllte die Erwartungen nur ausreichend
Verfügt über Fachwissen Hat die nötigen Fachkenntnisse Hat nur theoretisches Wissen, aber keine praktische Umsetzungskompetenz
War im Kollegenkreis beliebt Gute Zusammenarbeit mit Kollegen Eventuell soziale Kompetenzen, aber mangelnde berufliche Leistung
Zeigte Interesse an seiner Arbeit War neugierig und lernwillig Mangelnde Fachkenntnis oder fehlender Einsatz
Erfüllte die Anforderungen Hat die grundlegenden Erwartungen erfüllt Hat sich nicht besonders hervorgetan oder keine besonderen Leistungen erbracht

Ein Bewerber im Anzug lächelt während eines Vorstellungsgesprächs und beobachtet aufmerksam die Personalerin, die sein Arbeitszeugnis liest.

Das können Sie tun, wenn das Arbeitszeugnis negativ ist

Zwischen den Zeilen zu lesen bedeutet, die versteckten Hinweise und subtilen Bewertungen zu erkennen, die ein Arbeitszeugnis enthalten kann. Es geht darum, die echte Einschätzung des Arbeitgebers zu verstehen, die oft hinter höflichen Formulierungen verborgen ist. Nur so können Sie sicherstellen, dass Ihr Arbeitszeugnis Ihre beruflichen Leistungen korrekt und positiv widerspiegelt. Wenn Sie diese Codes nicht erkennen, laufen Sie Gefahr, negative Bewertungen zu übersehen, die Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt beeinträchtigen könnten.

Stellen Sie fest, dass Ihr Arbeitszeugnis negative Botschaften enthält, gibt es mehrere Schritte, die Sie unternehmen können. Zunächst sollten Sie versuchen, das Gespräch mit Ihrem ehemaligen Arbeitgeber zu suchen. Oftmals ist sich der Arbeitgeber der negativen Auswirkungen bestimmter Formulierungen nicht bewusst und ist bereit, Änderungen vorzunehmen, wenn Sie höflich darauf hinweisen.

Sollte dies nicht erfolgreich sein oder der Arbeitgeber sich weigern, das Zeugnis zu ändern, haben Sie die Möglichkeit, rechtliche Schritte in Betracht zu ziehen. In Deutschland haben Arbeitnehmer einen rechtlichen Anspruch auf ein wohlwollendes Arbeitszeugnis, das ihre beruflichen Leistungen positiv darstellt. Wenn Ihr Zeugnis offensichtlich gegen diese Vorgabe verstößt, können Sie eine Korrektur einfordern.

Darüber hinaus sollten Sie auch überlegen, wie Sie zukünftige Arbeitgeber über das Zeugnis informieren können. Wenn das Zeugnis trotz Ihrer Bemühungen negativ bleibt, kann es sinnvoll sein, im Bewerbungsgespräch offen darüber zu sprechen und Ihre Sicht der Dinge darzustellen. Dies zeigt, dass Sie die Situation proaktiv angehen und nicht bereit sind, ein negatives Bild von sich stehen zu lassen.

Die Bedeutung der richtigen Interpretation – Zwischen den Zeilen lesen

Arbeitszeugnisse sind mehr als nur ein formaler Abschluss des Arbeitsverhältnisses. Sie sind ein wichtiger Teil Ihres beruflichen Portfolios und können maßgeblich Ihre Karriere beeinflussen. Die richtige Interpretation der in ihnen enthaltenen Formulierungen ist daher von entscheidender Bedeutung. Indem Sie die Codes und versteckten Hinweise in Ihrem Arbeitszeugnis erkennen, können Sie sicherstellen, dass es Ihre beruflichen Leistungen korrekt widerspiegelt und Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessert.

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